Schreibaby Tipps und Lösungen
Dass Babys schreien, ist eigentlich ganz normal. Was sollen sie auch sonst tun, schließlich sind sie ja der Sprache noch nicht mächtig. Allerdings sind viele Eltern damit überfordert, wenn ihr Baby immer und immer wieder schreit und sich scheinbar durch nichts und niemanden beruhigen lässt. Sollte dein Baby besonders viel und exzessiv schreien, kann es durchaus sein, dass es sich um ein Schreibaby handelt.
Damit bist du nicht alleine, denn schätzungsweise 25% aller Babys sind Schreikinder. Was du jetzt brauchst, ist eine gute Unterstützung, starke Nerven und viel Einfühlungsvermögen. Das ist leichter gesagt als getan, wenn die Nerven blank liegen. Mit ein paar Tipps lassen sich aber auch Schreibabys besser beruhigen.
Was genau ist eigentlich ein Schreibaby?
Es gibt tatsächlich eine Definition für Schreibabys. Es handelt sich dabei um die so genannte „Dreierregel“. Diese besagt, dass es sich dann um ein Schreibaby handelt, wenn es über mehr als drei Stunden am Tag an mehr als drei Tagen in der Woche mehr als drei Wochen lang schreit. Meistens liegen die Schreiphasen übrigens in den frühen Abendstunden.
Im Allgemeinen lassen sich „echte“ Schreibabys viel schlechter beruhigen als andere. Das Baby leidet also an exzessiven, unstillbaren, dauerhaften Schrei- und Unruheattacken. Meistens kommt hinzu, dass es auch schlecht schläft oder einschläft.
In der Regel fängt das Schreien mit ein paar Wochen an und ebbt dann mit etwa einem halben, dreiviertel Jahr ab. Zumindest in den meisten Fällen. Ein Ende ist also durchaus in Sicht, denn irgendwann wird jedes Schreibaby diese Phase auch wieder überwunden haben.
Die berühmt-berüchtigten 3 Monats Koliken – gibt es die überhaupt?

Noch vor gar nicht allzu langer Zeit sprach man von 3 Monats Koliken beim Baby, welches viel schreit. Säuglingskoliken, so glaubte man, seien dafür verantwortlich, dass das Baby Bauchschmerzen hat und somit viel schreit. Zustande kommen könnte dies durch vermehrte Luftansammlung im Bauch.
Heute jedoch geht man nicht mehr davon aus, dass primär Bauchkrämpfe dafür verantwortlich sind, ganz im Gegenteil. Man spricht heute im Zusammenhang mit Schreibabys viel mehr von Regulationsstörungen. Du kannst dir das ungefähr so vorstellen: Dein Baby wird geboren und in dem Moment in kürzester Zeit von einer warmen, geborgenen, licht- und geräuschgedämmten Kulisse in eine laute, kalte, ungemütliche Welt „katapultiert“. Das ist gar nicht so einfach für ein Neugeborenes. Es muss sich also erst einmal anpassen an die laute und hektische Welt der Erwachsenen.
Einigen Babys gelingt das ganz einfach und schnell, anderen weniger. Genau diese Kinder, so vermutet man, leiden unter Regulationsstörungen. Das ist auch ein Grund dafür, warum das Baby vorwiegend abends schreit. Es ist mit den vielen Eindrücken, die tagsüber auf es einprasseln, schlichtweg überfordert. Also handelt es sich beim Schreien genau genommen um einen Hilferuf. Das Baby braucht dann jemanden, der ihm zur Seite steht und es tröstet.
Bauchschmerzen, so der heutige Kenntnisstand, führen also in den wenigsten Fällen dazu, dass ein Kind zum Schreikind wird. Es kann aber sein, dass das Baby zuerst einmal schreit, weil es z.B. überreizt ist. Beim Schreien schluckt es Luft, was zu Bauchkrämpfen führt. Dann kommt dieser Faktor noch erschwerend hinzu.
Schreibabys ein typisch deutsches Phänomen?
Interessant ist ein Blick auf andere Länder bzw. Kontinente, z.B. Asien oder Südamerika. Dort kennt man nämlich das Phänomen des Schreibabys überhaupt nicht. Natürlich schreien die Babys dort ebenfalls, allerdings wachsen sie auch ganz anders auf. Nämlich im engen Familienbund. Das heißt, die Eltern sind nicht auf sich alleine gestellt, sondern Oma, Opa, Tante, Onkel und Geschwister kümmern sich gleichermaßen um das Baby. Außerdem schläft es meistens im Familienbett und wird viel umhergetragen. Hinzu kommt, dass die Eltern in anderen Ländern vermutlich keine so hohen Anforderungen an sich haben, wie das im westlichen Raum meistens der Fall ist. Hierzulande kommen Schreibabys jedenfalls in allen gesellschaftlichen Schichten gleichermaßen vor.
Warum schreien manche Baby mehr, manche weniger?
Welche Gründe gibt es dafür, dass ein Baby zum Schreibaby wird?
Es gibt dafür mehrere Ursachen, sowohl physischer als auch psychischer Natur. Letztere kommt am häufigsten vor: es handelt sich dabei schlichtweg um eine Überreizung.
Es kann aber in wenigen Fällen auch sein, dass Baby unter eine Allergie oder Krankheit leidet. Auch ein (Geburts-)Trauma kann dazu führen, dass ein Baby vermehrt schreit. Das sind weitere physische Gründe für stundenlanges Schreien.
Man hat außerdem festgestellt, dass Mütter, die in der Schwangerschaft rauchen, deutlich öfter Schreikinder bekommen als nichtrauchende Schwangere. Auch der Stresslevel während der Schwangerschaft kann das Ausschütten gewisser Hormone begünstigen.
Tipp: Wenn dein Kind außergewöhnlich viel schreit, solltest du in jedem Fall von einem Arzt abklären lassen, ob es gesundheitliche Ursachen hat. Dies ist allerdings bei den wenigsten Schreibabys der Fall.
Das Baby schreien lasen?
Heute jedoch spricht eigentlich alles gegen das Schreien lassen, auch wenn unser Eltern und Großeltern das zum Teil noch propagieren. Das hat gleich mehrere Gründe. Ein Baby zu verwöhnen ist im Grunde genommen überhaupt nicht möglich. Und ein Baby schreit nicht ohne Grund.

Babys brauchen unendlich viel Liebe, Körperkontakt und Zuneigung. Ihnen dies zu entziehen als Strafe für das Schreien, bewirkt nur, dass das Baby irgendwann resigniert. Es zieht die fatale Schlussfolgerung „ich bin meinen Eltern unwichtig“. Das wiederum kann nachhaltige Folgen auf sein Selbstbewusstsein haben. Es schreit und schreit, aber keiner kommt, um ihm zu helfen. Das Resultat: Es ist frustriert und das ist dann der Grund dafür, warum es mit Schreien aufhört. Gerade Babys im ersten halben Jahr sollten uneingeschränkte Zuwendung von ihren Eltern bekommen, wenn sie schreien. Das gibt ihnen Halt und stärkt das Urvertrauen und die Eltern-Kind-Bindung.
Übrigens ist es für das Baby trotzdem tröstlich, wenn du es umherträgst oder mit ihm redest, auch wenn es sich dabei partout nicht beruhigen will. Es hat dann in seinem Kummer und Schmerz nicht das Gefühl, alleine gelassen zu werden. Das ist zwar auch für die Eltern frustrierend, lässt sich aber manchmal nicht ändern. Sei also für dein Baby da wenn es schreit, auch dann, wenn es sich nicht beruhigen will!
Das Kiss Syndrom
Es ist zwar umstritten, dennoch liegt der Verdacht nahe, dass Babys, die am so genannten Kiss Syndrom leiden, möglicherweise viel mehr schreien als andere. Vor allem Alternativmediziner sind der Meinung, dass diese Fehlstellung die Ursache für viele Entwicklungsstörungen und auch für Schreien ist.

Du erkennst das Kiss Syndrom an einer Schiefhaltung und einer Drehschwäche des Kopfs, an einer asymmetrischen Schädel- und Gesichtsform sowie an einseitigen und ungleichen Bewegungen von Ärmchen und Beinchen.
Wenn du vermutest, dass dein Kind unter dem Kiss Syndrom leidet, kläre dies unbedingt mit einem Arzt ab. Falls die Diagnose zutrifft, kannst du zu einem Osteopathen oder zur Manualtherapie gehen. Meistens ist es bereits in wenigen Sitzungen möglich, Blockaden und Verspannungen zu lösen.
Was hilft einem Schreibaby?
Nicht alle (Schrei-) Babys sind gleich. Deswegen gibt es auch keine allgemeingültigen Tipps. Wenn wir uns aber vor Augen halten, was einem Schreibaby meistens fehlt – nämlich Sicherheit, Geborgenheit, ein verlässlicher Rahmen, Ruhe etc. – dann ergeben sich daraus einige Dinge, die es möglicherweise beruhigen Zum einen sind es Babys noch aus der Zeit der Schwangerschaft gewohnt, dass es in Mamas Bauch eng und kuschlig warm war. Gib deinem Kind also diese Enge wieder zurück, zum Beispiel indem du es mit einem Pucksack puckst. Darin beruhigen sich viele Babys ziemlich schnell.
Außerdem hat es im Bauch immer angenehm geschaukelt. Das ist der Grund, warum Babys es regelrecht lieben, wenn es schaukelt. Es erinnert sie an die Zeit der Schwangerschaft. Setz dich mit deinem Baby beispielsweise auf einen Schaukelstuhl, tanze mit ihm herum oder trage es im Tragetuch oder einer Babytrage. Getragene Kinder entwickeln mehr Selbstbewusstsein, brauchen später seltener Ergotherapie und – in dem Fall das Wichtigste – sie schreien weniger als andere. Genau dadurch stärkst du die Bindung deines Babys zu dir. Das geht ganz ohne Spielzeug, sondern einfach nur durch Körperkontakt und Nähe. Dadurch wird Oxitocin ausgeschüttet, welches das Bonding stärkt.
Babys, die viel schreien, lieben es auch in eine Federwiege gelegt zu werden, die dann sanft auf- und abschwingt. Eine tolle Alternative zur gewohnten Babywiege.
Ansonsten ist es wichtig, gerade bei Schreibabys auf feste Rituale und Schlafenszeiten zu achten und sie vor zu vielen Reizen abzuschirmen. Reduziere also die Anzahl von Terminen pro Tag, vermeide laute Geräusche, Hektik und Stress. Auch zu viel Besuch kann überreizen.
Viele Eltern schwören auf Geräusche. Manche singen. Einfache Schhh-Laute oder sogar der laufende Staubsauger können das Baby aber genauso beruhigen. Dieses sogenannte weiße Rauschen kannst du auch über Audiodateien im Internet finden und abspielen. Es simuliert Geräusche aus dem Mutterbauch.
Baden und eine nachfolgende Babymassage können in Schreizeiten eine echte Erleichterung verschaffen. Auch das stärkt eure Bindung. Probiere am besten aus, was deinem Baby gefällt und gut tut.
Weißes Rauschen gratis mp3-Download
Wie kommen Eltern wieder zur Ruhe?

Sorge zum einen dafür, dass du und dein Partner sich bei der Betreuung des Babys abwechseln. Wer nur eine halbe Stunde Zeit für sich bekommt, kann sich wieder gestärkt dem schreienden Baby widmen. Nimm jede Hilfe an, die sich dir bietet! Oma, Nachbarin, Freundin, was auch immer – ein bisschen Zeit für dich ist auf jeden Fall wichtig, um wieder zur Ruhe zu kommen.
Zu viel Perfektion ist übrigens fehl am Platz, wenn du ein Neugeborenes hast. Du kannst dich nicht zu 100 % um das Baby, deinen Haushalt, deine Arbeit und deinen Partner kümmern – irgendwann kommt zwangsläufig etwas zu kurz. In der ersten Zeit ist das Baby vollkommen auf deine Hilfe angewiesen. Zu Beginn ist es wichtig, dass ihr euch kennen lernt und als Team einspielt. Also lass gerade beim Thema Haushalt einfach mal Fünf gerade sein. Es kommen auch wieder andere Zeiten!
Es ist vor allem die aktuelle Lebenswelt, die uns oft stresst. Junge Mütter stellen dabei sehr hohe Anforderungen an sich selbst. Hinzu können noch erschwerende Lebensumstände kommen, wie Partnerschaftkonflikte, Ängste oder andere seelische Probleme. All dies färbt auch auf die Kinder ab und beeinflusst ihr Verhalten. Kinder spiegeln uns. Werden wir ruhiger, sind auch die Babys ruhiger.
Sollte gar nichts helfen und du unter permanentem Schlafmangel und zum Zerreißen gespannten Nerven leiden, dann suche dir unbedingt professionelle Hilfe. Wut, Verzweiflung und Erschöpfung sind ganz normale Reaktionen. Lass es nicht anstehen. Es gibt einige Anlaufstellen, die sich mit dem Thema Schreibaby hervorragend auskernen und dich unterstützen. Niemand muss alles alleine schaffen.
Was sagt die Forschung zu Schreibabys?
Der US-amerikanische Kinderarzt Harvey Karp ist davon überzeugt, dass Menschenbabys drei Monate zu früh zur Welt kommen. Zum Zeitpunkt der Geburt sind sich einfach noch nicht vollständig entwickelt. Da wir einen relativ großen Kopf haben, werden wir früher geboren. Babys benötigen daher viel Zeit und Geduld, um die letzten Reifungsschritte zu durchlaufen. Das kann auch zu langen und lauten Nächten führen. Die Umgebung im Mutterleib möglichst nachzusimulieren, liegt also nahe.
Doch was sagt nun die Wissenschaft zum Thema Schreibaby? Nach Berichten von Hebammen ist es unmöglich, nur einen einzigen relevanten psychosozialen Risikofaktor für exzessives Schreien festzumachen. Sozioökonomische, psychosoziale und psychologische Einflussfaktoren hängen sehr komplex zusammen. Festgestell werden kann jedenfalls, dass bei routinemäßigen Schwangerschaftskontrollen zu wenig Augenmerk auf die emotionalen Befindlichkeiten der Eltern gelegt wird. Teilweise auch aus Zeitmangel. Auch die Betreuung in der Klinik und im Wochenbett achtet oft wenig auf die emotionale Unterstützung und Aufklärung der Eltern.
Hinzu kommt ein deutlicher Erwartungsdruck an die Eltern von Seiten der Gesellschaft und auch ihnen selbst. Die Bedürfnisse des Kindes werden dabei möglicherweise nicht richtig erkannt oder übergangen.
Mit einem Schreibaby und der vorhandenen Belastung steigt damit das Risiko psychischer Überlastung bis hin zur Kindesmisshandlung (z.B. Schütteltrauma).
Hier ist Aufklärung und Prävention essentiell. Wichtig ist, dass die Eltern-Kind-Beziehung von Anfang an gestärkt wird, denn sicher gebundene Kinder schreien erfahrungsgemäß weniger. Wissensdefizite bei den Eltern sollten über Fachpersonal ausgeglichen werden. Das gelingt beispielsweise durch die Betreuung mittels Hebamme im Wochenbett. Damit können auch die elterliche Kompetenz und die Beseitigung von Verunsicherungen gelingen. Einer Überforderung oder gar Entfremdung zum schreienden Kind wird damit sicher entgegengewirkt.
Therapieangebote für Schreibabys /Schreiambulanzen
Wenn gar nichts mehr hilft, ist der Gang in eine Schreiambulanz dringend anzuraten. Dort arbeiten Fachkräfte, Hebammen und Psychotherapeuten, die sich mit dem Thema auskennen und wertvolle Tipps geben können.
Hier findest du Adressen von Schreiambulanzen
Hier legst du zum Beispiel ein Schlaf- oder Schreiprotokoll an oder bekommst bestimmte Griffe oder Techniken gezeigt, wie du dein Baby beruhigen kannst. Du brauchst dich deswegen überhaupt nicht zu schämen. Wenn dein Baby krank ist, gehst du auch zum Arzt und nimmst seine Hilfe an. Schreiambulanzen finden sich in allen größeren Städten und sind meist an Krankenhäuser angeschlossen.
Weiterhin gibt es regional anhängig auch Zielgruppen wie Familientherapien oder Babytherapie, Frühe Hilfe, Krisentelefon oder das Wellcome Programm.
Fazit
Eines ist beruhigend: Du bist mit deinem Schreibbaby nicht alleine. Außerdem wird das Thema Schreibaby irgendwann garantiert Geschichte sein. Bis dahin aber solltest du versuchen, dir und deinem Baby das Leben so leicht wie möglich zu machen. Gib dir keine Schuld an der Situation und verbanne den Traum der perfekten Elternschaft. Wenn du merkst, dass du an deine Grenzen kommst, hole dir unbedingt Hilfe.
Aber: Babys schreien nicht ohne Grund. Auch wenn dir der Grund unbekannt ist, weil du Hunger, volle Windel, Kälte etc. ausschließen kannst, solltest du deinem Babys Geborgenheit schenken und ihm somit zeigen, dass du seinen Kummer ernst nimmst und es nicht allein ist.
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Weiterführende Literatur: Quellen und interessante Links
https://www.gesundheit.bfh.ch/uploads/tx_frppublikationen/Gubler_2010_Schreibabys.pdf
https://digitalcollection.zhaw.ch/bitstream/11475/1024/1/von%20Schulthess_Katja_Hebamme_BA12.pdf
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